Ein Leifguard fürs Team

Ein Leifguard fürs Team

Interview mit Leif Eisenheim

Artikel: Ein Leifguard fürs Team

Leif Eisenheim hat 16 Jahre für Airbus gearbeitet, bis er entschied, vom Flugzeug auf die Schiene zu wechseln. Bei der Deutschen Bahn verantwortet er heute das Instandhaltungswerk in Dessau mit rund 1.500 Mitarbeitenden. Ein Gespräch über die Besonderheiten des Bahn-Geschäfts, die Tücken des Micromanagements und die Vorteile der dienenden Führung.  

Foto Leif Eisenheim


Leif, du bist jetzt seit rund einem Jahr bei der Deutschen Bahn. Worin siehst du die größten Unterschiede zur Luftfahrtbranche?

In der Luftfahrt ist alles Neubau. Das ist bei unseren Zügen vollkommen anders; wir arbeiten hier in der Instandhaltung mit bis zu 75 Baureihen, die wir selbst aufarbeiten. Das ist eine Fertigungstiefe, die ich so in der Industrie noch nicht erlebt habe. Das Ganze ist extrem nachhaltig, denn durch die Aufarbeitung der Loks und Komponenten, also Räder, Achsen, Getriebe oder Elektronik, sparen wir Tonnen von CO2 ein.

Wie hast du deinen Einstieg in Dessau gestaltet?

Am Anfang stand der Austausch mit meinem Vorgänger, bevor ich mich auch mit dem ganze Leitungsteam auf einer Strategietagung getroffen habe – noch während ich in meinem alten Job war. Das war ein sehr vertrauensvolles erstes Beschnuppern, bei dem wir uns persönlich kennengelernt haben und ich außerdem die fachlichen Anforderungen besser verstehen konnte. Als ich dann wenig später zur Deutschen Bahn gewechselt bin, war es mein Wunsch, eine Übergabephase mit meinem Vorgänger zu haben, der daraufhin extra seinen Rentenbeginn verschoben hat. Zum Start habe ich einen 100-Tage-Plan entwickelt. Wichtig waren mir die Themen Zusammenarbeit, Kundenzufriedenheit und Wachstum. Und natürlich musste ich mich auch technisch erst einmal einarbeiten und die Abläufe verstehen.

Was genau hast du dir vorgenommen – und wie kommst du mit der Umsetzung voran?

Mein zentrales Ziel ist es, die Auslastung im gesamten Werk zu erhöhen. In der Lokrevision wollen wir massiv um fast 50 Prozent wachsen. Das wird uns bis Ende 2024 gelingen – ein riesiger Meilenstein für unser Werk. Dadurch steigt gleichzeitig die Auslastung im Bereich Komponenten. Zudem habe ich mich mit vielen Kunden getroffen, sowohl DB-intern als auch extern. Dieser Austausch hat uns als Unternehmen gutgetan und wir konnten uns diverse Aufträge für die Zukunft sichern. Das waren sozusagen die technischen Themen. Daneben war es mir wichtig, das Team näher zusammenzubringen und eine andere Führungskultur zu etablieren. Da bekomme ich derzeit gutes Feedback, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Und im Übrigen habe ich hier auch relativ schnell das „Du“ eingeführt.

Deinen Führungsstil, wie würdest du den beschreiben?

Ich nenne es eine dienende und transformierende Führung. Ich komme nicht aus der Lok und kann daher nicht alles bewerten, will ich auch nicht. Ich bin nicht der, der ins Micromanagement geht. Wir haben hier sehr gute Führungskräfte über alle Ebenen und denen will ich die Möglichkeit geben, ihr Geschäft zu gestalten. Meine Aufgabe ist es, dafür die richtigen Bedingungen zu schaffen und zu unterstützen, wo ich kann. Wichtig ist mir, dass wir einander wirklich verstehen. Dazu gehört auch, dass ich zu Beginn meine Stärken und Schwächen offengelegt und mich damit auch verletzlich gemacht habe.

Welche Stärken und Schwächen sind das?

Leif: Das definiert sich über meine Werte: Familie und Team sind mir wichtig. Ich habe lange Handball gespielt und weiß, dass eine Mannschaft nur als Team gewinnen kann. Der zweite Wert ist Energie. Ich verfüge über sehr viel positive Kraft und reiße andere gerne mit. Und das dritte ist Vertrauen, da gebe ich sehr viel Vorschuss – aber im Gegenzug ist es kaum zu heilen, wenn mein Vertrauen missbraucht wird. Das ist dann die Schattenseite. Ebenso wie beim Thema Energie: Da kann es manchmal sein, dass ich Menschen buchstäblich überfahre mit meinem Tempo. Das ist mir bewusst und daher hole ich mir beispielsweise Unterstützung seitens der HR, um wirklich alle mitzunehmen auf unserer Transformationsreise.

Stichwort HR: Du bist damals direkt über das DB Executive Team angesprochen worden. Wie hast du den Prozess empfunden?

Leif: Als ich den ersten Anruf erhalten habe, war ich zunächst nicht sehr interessiert, weil ich zufrieden war in meinem Job. Durch den positiven und aufgeschlossenen Kontakt mit dem Executive Hub Team habe ich mir aber die Zeit genommen und mir das Angebot genauer angeschaut. Nach einem ersten Sondierungsgespräch gab es noch weitere Gespräche und ein mehrstufiges Assessment. Im Nachhinein empfinde ich diesen ausführlichen Prozess als sehr vorteilhaft. So hatte ich die Zeit, wirklich alle Aspekte zu klären und konnte außerdem mehrmals mit meiner Familie nach Dessau reisen. Wir haben uns zum Beispiel Schulen angeschaut und überlegt, in welcher Gegend wir gerne leben würden. Das waren ideale Bedingungen, um eine gute Entscheidung zu treffen.

Was hat dich an der Aufgabe gereizt?

Leif: Vor allem dieser riesige Schritt, die Verkehrswende mitzugestalten! Mich motiviert es ungemein, etwas zu schaffen, das nicht alltäglich ist. Und ich habe schnell verstanden, dass es im Konzern viele Menschen gibt, die wirklich etwas erreichen wollen und dafür an einem Strang ziehen. Dritter wichtiger Punkt war für mich der Gestaltungsspielraum, den ich im Vergleich zu anderen Industrien als wirklich groß empfinde. Und nicht zuletzt der Austausch: Ich hatte von Anfang an die Möglichkeit, mir ein belastbares Netzwerk aufzubauen und war unter anderem mit einem Austauschprogramm für das Thema Operational Excellence in Japan. Ich fahre auch häufig nach Frankfurt oder in andere Werke, weil es im persönlichen Kontakt viel leichter fällt, Vertrauen aufzubauen. Die Firma profitiert davon, wenn es einen kurzen Dienstweg gibt. Schnelligkeit macht mir einfach Spaß – alles andere empfinde ich als Verschwendung.

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